Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 20. Dezember 2000
Az: 11 C 7/00
Leitsatz
1. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es dem kommunalen
Satzungsgeber im Grundsatz nicht, die Grundgebühr für die Abfallentsorgung nach
einem grundstücksbezogenen Maßstab zu erheben.
2. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich kein striktes Gebot der
gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität. Der Gesichtspunkt, dass die
unterschiedliche Nutzung der öffentlichen Einrichtung (hier: der kommunalen
Abfallwirtschaft) bis hin zur Nichtnutzung einzelner Teilleistungsbereiche
reicht, verbietet die Erhebung einer einheitlichen Grundgebühr zumindest dann
nicht, wenn dem Gebührenpflichtigen ein Wechsel zwischen den verschiedenen
Teilleistungsbereichen jederzeit möglich ist (hier: Übergang von der Eigenkompostierung
zur Nutzung der Biotonne).
3. Eine einheitliche Behältergebühr für die Abholung von
Restabfall und von Bioabfall ist durch die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende
Belastungsgleichheit gerechtfertigt.
4. Eine Quersubventionierung der Biotonne durch die
Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von der behälterbezogenen Zusatzgebühr
ist sowohl mit Art. 3 Abs. 1 GG wie auch mit § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG
vereinbar.
BVerwGE 112, 297-308
NVwZ 2002, 199-202
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu
Abfallgebühren für das Jahr 1996. Mit Beginn dieses Jahres hat die beklagte
Stadt Oldenburg ihr Abfallentsorgungssystem neu geordnet und die sog. Biotonne
eingeführt. Die neue Abfallgebührensatzung (AGS) vom 18. Dezember 1995 (Amtsblatt
für den Regierungsbezirk Weser-Ems vom 22. Dezember 1995, S. 1820) enthält u.a.
folgende Regelung:
"§ 2
Gebührenmaßstab und Gebührensatz
(1) Für jedes gem. § 4 Abs. 1 angeschlossene Grundstück ist
eine Grundgebühr zu entrichten. Daneben wird eine behälterbezogene Litergebühr
erhoben, die sich nach dem Volumen und der Anzahl der Entleerungen der
bereitgestellten Restabfall- und Bioabfallbehälter bemisst. Für die ersten 60 l
Bioabfall ist je angeschlossenes Grundstück keine Litergebühr zu leisten. Mehrere
gem. § 17 Abs. 7 AWS zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung
zusammengeschlossene Grundstücke gelten als ein angeschlossenes Grundstück im
Sinne dieser Satzung.
(2) ...
(3) Die Gebühr nach Abs. 1 schließt die Entsorgung der
getrennt gesammelten Abfälle nach §§ 7, 8, 9, 14, 15 und 16 AWS ein, soweit
nicht besondere Gebühren gem. Abs. 7 und 8 erhoben werden."
In der Satzung über die Höhe der Gebühren für die Benutzung
der Straßenreinigung, Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung für das
Haushaltsjahr 1996 (AGS-Höhe) vom 27. November/18.
Dezember 1995 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems vom 22. Dezember
1995, S. 1819) ist u.a. Folgendes bestimmt:
"§ 3
Gem. § 2 der Satzung der Stadt Oldenburg (Oldb) über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung
(Abfallgebührensatzung) ... werden die Gebühren für die Inanspruchnahme der
Abfallentsorgung wie folgt festgesetzt:
(1) Die Grundgebühr für jedes angeschlossene Grundstück
beträgt jährlich 129,00 DM.
(2) Die Gebühren für das 14-tägliche Einsammeln von
Restabfall betragen jährlich für einen Abfallbehälter mit einem Füllraum von
1. 20 l
46,20 DM,
2. 35 l
80,85 DM,
3. 50 l
115,50 DM,
4. 60 l
138,60 DM,
...
(3) Die Gebühren für das 14-tägliche Einsammeln von
Bioabfall betragen jährlich für einen Abfallbehälter mit einem Füllraum von
1. 60 l
138,60 DM."
Der Kläger, der Eigentümer eines im Stadtgebiet der
Beklagten gelegenen Anwesens ist, das er mit seiner Familie (Ehefrau und ein
Kind) bewohnt, nimmt die Entsorgung von Bioabfall nicht in Anspruch und
kompostiert die in seinem Haushalt anfallenden Bioabfälle auf dem Grundstück.
Durch Bescheid vom 12. Januar 1996 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau für das
Jahr 1996 zur Grundsteuer und zur Abfallgebühr herangezogen. Die Abfallgebühr
in Höhe von 209,85 DM setzte sich aus der Grundgebühr von 129 DM und einer
Zusatzgebühr von 80,85 DM für das 14-tägliche Einsammeln von Restabfall bei
einem Abfallbehälter mit 35 l Füllraum zusammen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit der
Begründung, die Erhebung der Abfallgebühren verletze in mehreren Punkten den
Gleichheitsgrundsatz. Am 27. Juni 1996 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht
Untätigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat sodann den Widerspruch mit Bescheid
vom 13. August 1996 zurückgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat der nunmehr auch gegen den
Widerspruchsbescheid gerichteten Klage durch Urteil vom 23. Juli 1998
stattgegeben. Zur Begründung ist in diesem Urteil im Wesentlichen ausgeführt
worden: Die Abfallgebührensatzung stelle keine wirksame Rechtsgrundlage für die
Heranziehung des Klägers zu den streitigen Gebühren dar, weil die Erhebung
einer Grundgebühr in Höhe von 129 DM jährlich für jedes angeschlossene
Grundstück nicht im Einklang mit § 12 Abs. 2 NAbfG
stehe. Dem darin normierten Gebot, bei der Gebührenausgestaltung einen Anreiz
zur Abfallvermeidung zu schaffen, werde die Gebührenbemessung der Beklagten
nicht gerecht. Die Heranziehung zu Grundgebühren sei auch deshalb rechtswidrig,
weil der in § 3 Abs. 1 AGS gewählte Gebührenmaßstab mit § 5 Abs. 3 Sätze 1 und
2 NKAG unvereinbar sei. Es entspreche nicht in hinreichendem Maße dem
landesrechtlich vorgegebenen Grundsatz der Leistungsbezogenheit von
Gebührenbemessungen, dass für die Erhebung der Grundgebühr auf Grundstücke
abgestellt werde und gänzlich unberücksichtigt bleibe, wie viele Personen zum
Haushalt gehörten. Der von der Beklagten gewählte Grundstücksmaßstab begegne
auch deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich der "Realitätsverlust"
angesichts der Ausgestaltung der Höhe der Grundgebühr nicht mehr in engen
Grenzen halte. Durch die im Verhältnis zur Grundgebühr der Höhe nach zu geringe
behälterbezogene Zusatzgebühr werde - zumindest tendenziell - ein kaum noch
spürbarer Anreiz zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung geschaffen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom
Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts
Oldenburg vom 23. Juli 1998 die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 20. Januar 2000 hat das
Oberverwaltungsgericht diesem Antrag stattgegeben und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt: Die Festsetzung einer Grundgebühr für jedes
angeschlossene Grundstück und die Zugrundelegung einer einheitlichen
Litergebühr für die Entsorgung von Restabfall und - soweit mehr als die
Freimenge anfalle - Bioabfall begegneten keinen rechtlichen Bedenken. Durch die
Grundgebühr sollten die Bezieher geringer Leistungsmengen stärker an den
invariablen Kosten (Fixkosten) der Leistungserstellung beteiligt werden als bei
einer strikt mengenbezogenen Gebührenbemessung. Hierfür spreche der
Gesichtspunkt, dass der Anteil der Verursachung der Vorhaltekosten nicht
entsprechend der Verringerung der tatsächlichen Abfallmenge abnehme.
Ebenfalls nicht zu beanstanden sei es, dass die Beklagte für
die Bemessung der Grundgebühr an das angeschlossene Grundstück anknüpfe. Der
Maßstab für die Grundgebühr müsse - verbrauchsunabhängig - im Wesentlichen an
Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren
Arbeitsleistung ausgerichtet sein. Hierzu dürfe die Grundgebühr - bei Beachtung
der Verwaltungspraktikabilität und der besonderen örtlichen Verhältnisse -
nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Da Abfälle
typischerweise auf bewohnten Grundstücken und Gewerbegrundstücken anfielen und
von diesen entsorgt würden, bestehe ein hinreichend enger Bezug zwischen dem
Anknüpfungskriterium Grundstück und den durch das Abfallbeseitigungssystem
vermittelten Vorteilen.
Die Beklagte sei nicht aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes
verpflichtet gewesen, für die Grundgebühr einen genaueren Maßstab als
denjenigen des Grundstücks zu wählen. Zwar führe die Erhebung einer gleich
hohen Grundgebühr für alle angeschlossenen Grundstücke zu einer Gleichbehandlung
ungleicher Sachverhalte. Denn Ein-Personen-Haushalte würden ebenso behandelt
wie Mehr-Personen-Haushalte, obwohl Letztere das Abfallbeseitigungssystem
typischerweise stärker in Anspruch nähmen. Auch würden Wohngrundstücke wie
Gewerbegrundstücke behandelt, wobei unberücksichtigt bleibe, dass die Art und
Menge des Abfalls bei beiden Gruppen unterschiedlich sein könne. Ferner würden
gewerblich genutzte Grundstücke im Verhältnis zueinander gleich behandelt,
obwohl sie bezüglich der Größe, der Zahl der im Betrieb Beschäftigten und/oder
der Art der gewerblichen Betätigung erhebliche Unterschiede aufweisen könnten.
Auch fehlten Sonderregelungen für sonstige Gewerbegrundstücke selbst in den
Fällen, in denen bei solchen erheblich mehr Abfall anfalle als durchschnittlich
bei gewerblich genutzten Grundstücken und Wohngrundstücken. Diese
Gleichbehandlung aller Grundstücke durch die Erhebung einer pauschalen
Grundgebühr sei indes gleichwohl grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden.
Denn die Vorhaltekosten für die Abfallentsorgung seien unabhängig von der
jeweils zu entsorgenden Menge an Abfall zu einem ganz wesentlichen Teil durch
invariable Kosten für das Vorhalten des Abfallbeseitigungssystems bedingt.
Bezogen auf die Fixkosten sei es relativ unerheblich, welches Volumen die auf
den angeschlossenen Grundstücken bereitgestellten Abfallbehälter hätten. Erst
wenn die Vorhaltekosten deshalb stiegen, weil das verstärkte Aufkommen von
Abfall größere Vorhalteleistungen erfordere, so dass mehr Fahrzeuge eingesetzt
und mehr Beschäftigte angestellt werden müssten, könne die sachliche
Rechtfertigung dafür, auch die Erzeuger von wenig Abfall gleichermaßen über die
Grundgebühr zu den Vorhaltekosten heranzuziehen, in Zweifel gezogen werden,
weil die Vorhaltekosten dann nur bestimmten Gruppen zuzuordnen seien. Dieser
Grenzbereich sei regelmäßig nicht überschritten, wenn über die Grundgebühr
nicht mehr als 30 % der Gesamtkosten der Abfallbeseitigung abgedeckt würden.
Diese Grenze habe die Beklagte bei der Erhebung der Grundgebühr für das
Haushaltsjahr 1996 eingehalten. Denn von den Gesamtkosten der Müllabfuhr in
Höhe von 16 744 927 DM habe sie lediglich 44,8 % der Fixkosten (3 895 800 DM)
in die Ermittlung der Grundgebühr eingestellt; dieser Betrag mache lediglich
einen Anteil von 23 % an den Gesamtkosten der Abfallbeseitigung aus.
Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 3 AGS, wonach mehrere gemäß
§ 17 Abs. 7 AWS zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossene
Grundstücke als ein angeschlossenes Grundstück im Sinne dieser Satzung zu
gelten hätten, sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden.
Denn die Vorhaltekosten der Abfallbeseitigung seien im Wesentlichen geprägt
durch die mit dem Einsammeln der Abfälle verbundenen (Personal-)Kosten. Würden
mehrere Grundstücke zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung
zusammengeschlossen, so verfügten sie über einen gemeinsamen Abfallbehälter,
und ein mehrfaches Anfahren und Transportieren von Mülltonnen entfalle. Bezogen
auf die in die Grundgebühr nur einfließenden Fixkosten der Abfallbeseitigung
könne dieser Zusammenschluss von Grundstücken deshalb ebenso betrachtet werden
wie das einzelne Grundstück.
Der Festlegung einer einheitlichen Grundgebühr sowie einer
identischen Litergebühr für Restabfall und - soweit die Freimenge überschritten
werde - Bioabfall stehe auch nicht entgegen, dass in den Kosten, die deren
Ermittlung zugrunde gelegt würden, Anteile für die Bioabfallentsorgung
eingestellt würden mit der Folge, dass auch diejenigen Abfallbesitzer, die
keinen Abfallbehälter für Bioabfall besäßen, an den Kosten der
Bioabfallentsorgung beteiligt würden. Die damit beabsichtigte
"Quersubventionierung" der Entsorgung von Bioabfall über die
Grundgebühr - Gleiches gelte für die Quersubventionierung über die Zusatzgebühr
für Restabfall - sei durch die Vorschrift des § 12 Abs. 4 NAbfG
gedeckt, wonach bei der Ermittlung der Aufwendungen für die Entsorgung
ungetrennt überlassener Abfälle (d.h. der Restabfälle) die Aufwendungen für die
Entsorgung getrennt überlassener Abfälle einbezogen werden könnten. § 12 Abs. 4
NAbfG stelle eine spezielle Ausformung der Grundnorm
des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG dar, wonach die Gebühren
so zu gestalten seien, dass die Vermeidung und die Verwertung von Abfällen
gefördert würden. Denn es liege auf der Hand, dass eine Gebührenfreistellung
bzw. mindestens herabgestufte Gebührensätze einen nachhaltigen (finanziellen)
Anreiz dafür schaffen könnten, Abfälle getrennt zu überlassen, wodurch nicht
nur die Verwertung der - getrennt überlassenen - Abfälle gefördert, sondern
zugleich das anfallende - in der Regel nicht verwertbare - Restabfallvolumen
reduziert werde. Der Anreiz zur Sortierung von Abfällen nehme zu, wenn dem
Gebührenpflichtigen für die Entsorgung des getrennten Abfalls keine oder
niedrige Kosten entstünden. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte
eine "Quersubventionierung" der Bioabfallentsorgung durch die
Ausgestaltung des Gebührensystems für die (Rest- )Abfallbeseitigung für
unzulässig gehalten werde (vgl. OVG NW, Urteil vom 17. März 1998 - 9 A 3871/96 - KStZ 1999, 37; Urteil vom 17. März 1998 - 9 A 1430/96 - NVwZ-RR 1998, 775; Hess. VGH, Urteil vom 27.
April 1999 - 5 N 3909/98 - DWW
1999, 387; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Juni 1999 - 2 S 782/98 - NVwZ-RR 2000, 51), beruhe dies darauf, dass in den dort
anzuwendenden Landesabfallgesetzen eine dem § 12 Abs. 4 NAbfG
entsprechende Bestimmung fehle.
Die Heranziehung des Klägers sei schließlich auch nicht
deshalb rechtswidrig, weil die Gebührenhöhe für das Jahr 1996 zur Folge habe,
dass Abfallbesitzer, die einen Restabfallbehälter mit einem Füllraum von 35 bis
50 l bereit hielten, hierfür zu jährlichen Gebühren von 80,85 DM bzw. 115,50 DM
herangezogen würden, während die Grundgebühr in beiden Fällen nur 129 DM
jährlich betrage. Zwar entspreche eine Grundgebühr für die (Rest-
)Abfallentsorgung, deren Höhe 50 v.H. der gesamten Gebührenbelastung des
Gebührenpflichtigen übersteige, nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG. Insofern bedürfe die zur reinen Restabfallentsorgung
insoweit ergangene Senatsrechtsprechung jedoch der Modifizierung, wenn und
soweit die Kommune neben der Restabfallentsorgung - wie hier - eine getrennte
Entsorgung von Bioabfällen durchführe. Denn § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG beschränke sich nicht auf das Gebot, durch die Gebührengestaltung
die Vermeidung von Abfällen zu fördern. Die abfallbeseitigungspflichtige
Körperschaft sei vielmehr gleichermaßen aufgefordert, die Gebühren so zu
gestalten, dass (auch) die Verwertung von Abfällen gefördert werde. Dabei stehe
es in ihrem Ermessen, wie sie beiden Zielen des Gesetzgebers durch die
Gestaltung des Gebührenmaßstabs Rechnung tragen wolle. Ein Ermessensfehler der
Beklagten sei insoweit nicht feststellbar.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom
Senat zugelassenen Revision, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt,
die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts verletze Bundesrecht. Die
"Quersubventionierung" der Biomüllentsorgung zu Lasten der
Eigenkompostierer sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt und damit
willkürlich. Durch § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG werde bei Eigenkompostierung eine
Freistellung von der Überlassungspflicht im Teilleistungsbereich Bioabfall
normiert. Sinngemäß bedeute dies ein Verbot der Gebührenerhebung zur
"Quersubventionierung" der Biomüllentsorgung. Soweit das
Berufungsgericht Gegenteiliges aus der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG herleiten wolle, werde verkannt, dass § 4 Abs. 1 KrW-
/AbfG eine Rangordnung zwischen vorrangiger Abfallvermeidung und nachrangiger
Abfallverwertung herstelle, die ohne Verstoß gegen Bundesrecht nicht durch eine
Gebührenregelung umgekehrt werden könne. Viele Möglichkeiten zur
Bioabfallvermeidung (z.B. Verringerung von Rasenschnitt durch Düngerreduktion,
Verzicht auf mineralische Dünger, Einkauf von knochenlosem Fleisch) fänden in
dem durch viele Gärten und Grünflächen geprägten Entsorgungsgebiet der
Beklagten kaum Anwendung, weil für die überwiegende Anzahl der Grundstücke das
freigestellte Volumen für die Entsorgung des gesamten auf den jeweiligen Grundstücken
anfallenden Bioabfalls ausreiche. Darüber hinaus stelle die hohe
Freistellungsmenge beim Bioabfall einen erheblichen Anreiz zur sachwidrigen
Restabfallentsorgung über die Biotonne dar und kollidiere insoweit mit dem
durch § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG verfolgten Ziel der Getrennthaltung und
-behandlung der zu entsorgenden Abfälle. Das Berufungsgericht verkenne, dass er
als Eigenkompostierer nach den §§ 5, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG verpflichtet sei, die
Verwertung des Bioabfalls vorzunehmen. Die in § 2 Abs. 1 Satz 4 AGS vorgesehene
Zusammenveranlagung mehrerer Grundstücke sei zu beanstanden, weil sie dazu
führen würde, dass er die Biotonne mitbenutzen müsse und damit dem
Regelungszweck der genannten Vorschriften des Kreislaufswirtschafts- und
Abfallgesetzes zuwider an die Biotonne angeschlossen würde.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2000 die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. Juli 1998
zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und
beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die vom
Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung verstößt nicht gegen revisibles
Recht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).
1. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die
grundstücksbezogene Bemessung der Grundgebühr für zulässig erachtet hat, sind
aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Von der Revision sind
insoweit Einwände nicht vorgebracht worden, so dass der Senat sich auf
folgenden Hinweis beschränken kann:
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist
geklärt, dass dem Satzungsgeber bei der Bemessung von Abfallgebühren ein weiter
Gestaltungsspielraum eröffnet ist, dessen Grenzen mit Blick auf den
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die
Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Von
daher gesehen kann der kommunale Satzungsgeber je nach den Umständen des
Einzelfalles eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen,
ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten
Gebührenmaßstab ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1994 - BVerwG 8 C 21.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren
Nr. 71 S. 21 f.). Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch
personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe. Wie die von
ihm in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele belegen, hat das
Berufungsgericht nicht verkannt, dass mit der Entscheidung für einen
grundstücksbezogenen Maßstab ein "Realitätsverlust" einhergeht, der
eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zur Folge hat. Dieser
"Realitätsverlust" wird im vorliegenden Fall aber zum einen durch die
Kombination mit der behälterbezogenen - und damit nutzungsabhängigen -
Zusatzgebühr entscheidend gemildert. Zum anderen hat das Berufungsgericht
zutreffend eine sachliche Rechtfertigung für den (teilweise) grundstücksbezogenen
Maßstab darin gesehen, dass die Vorhalteleistungen der kommunalen
Abfallentsorgung, die von der Grundgebühr anteilig abgedeckt werden sollen, zu
einem erheblichen Teil dadurch bedingt sind, dass jedes einzelne Grundstück -
unabhängig von dem konkret dort anfallenden Abfall - mit dem Müllwagen zwecks
Leerung der Abfallbehälter angefahren werden muss. Die insoweit vom
Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die für das
Revisionsgericht bindend sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), lassen im Übrigen
keinen Ansatzpunkt dafür erkennen, dass im vorliegenden Fall örtliche
Besonderheiten hätten Berücksichtigung finden müssen, die für eine
unterschiedliche Intensität der Vorhalteleistungen je nach Art der
Grundstücksnutzung sprechen (vgl. dazu Queitsch, ZKF
2000, 80 <84>). So ist insbesondere der Vortrag der Beklagten
unwidersprochen geblieben, dass ihr Stadtgebiet eine relativ homogene
Siedlungsstruktur aufweise, die von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägt sei
und in der ausgesprochene Wohngroßanlagen und größere Gewerbegebiete eine
atypische Ausnahme darstellten.
2. Streitig ist im Revisionsverfahren, ob und inwieweit
Kosten, die für die Bioabfallentsorgung anfallen, bei der Kalkulation der
Restmüllgebühr angesetzt werden dürfen. Das Berufungsgericht hat darin, dass
die Kosten der Bioabfallentsorgung teilweise von der Grundgebühr, aber auch von
der Zusatzgebühr für Restabfall gedeckt werden, eine Durchbrechung des
Grundsatzes der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität gesehen. Dieser
soll besagen, dass bei der Bildung von Teilleistungsbereichen mit getrennten
Gebührensätzen und -maßstäben die jeweils in einem Teilbereich anfallenden
Kosten nur diesem Bereich zugeordnet werden dürfen, dass also Kosten in einem
Teilleistungsbereich nicht durch eine Erhöhung der Gebühr für einen anderen
Teilleistungsbereich refinanziert werden dürfen. Die Durchbrechung dieses
Grundsatzes zugunsten der Bioabfallentsorgung bezeichnet das Berufungsgericht
als "Quersubventionierung".
In Auslegung und Anwendung von § 12 Abs. 4 NAbfG hält das Berufungsgericht diese Quersubventionierung
in der näheren Ausgestaltung, die sie vorliegend in der Abfallgebührensatzung
der Beklagten gefunden hat, für gerechtfertigt. Insoweit beruht das
angefochtene Urteil auf irrevisiblem Landesrecht.
Einer revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich bleibt die Frage, ob das so
ausgelegte Landesrecht mit Bundesrecht vereinbar ist. Die Vereinbarkeit mit dem
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht selbst geprüft
und zu Recht bejaht (nachfolgend 2.1). Die weitere - vom Berufungsgericht nicht
untersuchte - Frage, ob die Quersubventionierung im vorliegenden Fall gegen §
13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG verstößt, ist zu verneinen. Insoweit erweist sich
das angefochtene Urteil gemäß § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig
(nachfolgend 2.2).
2.1 Der Grundsatz der Leistungsproportionalität -
verschiedentlich auch als Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit bezeichnet -
wird als landesrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes
verstanden (vgl. z.B. HessVGH, Urteil vom 27. April 1999 - 5 N 3909/98 - DWW
1999, 387 <391> unter Hinweis auf OVG NW, Urteil vom 17. März 1998 - 9 A 1430/96 - NVwZ-RR 1998, 775). Dagegen ist aus
revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern, wenn damit nicht die Vorstellung
verbunden ist, aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebe sich ein striktes Gebot der
gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität. Letzteres trifft nicht zu. Der
Gleichheitsgrundsatz verbietet vielmehr eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung
auch insoweit nur, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt ist.
Hieraus folgt, dass der Satzungsgeber, soweit er nicht durch
landesrechtliche Vorgaben gebunden ist, auch bei der Finanzierung der
Teilleistungsbereiche einer öffentlichen Einrichtung die Wahl zwischen einer
Vielfalt von Gebührenmodellen hat. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es
lediglich, bei gleichartig beschaffenen Leistungen,
die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden können, die
Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und
Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, dass sie unterschiedlichen
Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige
Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (so BVerfGE 50, 217 <227>). Mit anderen Worten
ausgedrückt bedeutet dies, dass einzelne Gebührenschuldner im Verhältnis zu
anderen nicht übermäßig hoch belastet werden dürfen. Anerkannt ist ferner, dass
die anzustrebende Belastungsgleichheit der Gebührenpflichtigen dem
Satzungsgeber dennoch die Befugnis belässt, mit seiner Gebührenregelung eine
begrenzte Verhaltenssteuerung zu verbinden (vgl. BVerfGE
50, 217 <226>; 97, 332 <345>). Ausgehend von diesen Maßstäben
ist die Abfallgebührensatzung der Beklagten nicht wegen eines Verstoßes gegen
den Gleichheitssatz zu beanstanden.
2.1.1 Es begegnet zunächst keinen Bedenken, dass der Kläger
uneingeschränkt zu der Grundgebühr herangezogen wird, obwohl diese nach den
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts einen Anteil von rund 38 DM
(= 30 %) enthält, der zur Finanzierung der Bioabfallentsorgung beiträgt.
Es ist missverständlich, wenn das Berufungsgericht - in
Anlehnung an den gängigen Sprachgebrauch in der Literatur (z.B. Birk/Kretz, VBlBW 1999, 7 <12>; Klöck, NuR 1999, 441 <445>; Quaas,
KStZ 1999, 141 <146, 153>) - auch insofern von
einer "Quersubventionierung" spricht. Soweit der Satzungsgeber für
die Abfallentsorgung eine Grundgebühr erhebt, verzichtet er bewusst auf eine
Anknüpfung an einzelne Teilleistungsbereiche. Die Grundgebühr wird für die
Inanspruchnahme der Lieferungs- und Betriebsbereitschaft der kommunalen
Abfallwirtschaft insgesamt erhoben. Allein wegen des Umstandes, dass nicht
jeder Gebührenschuldner sämtliche von der Grundgebühr abgedeckte
Teilleistungsbereiche der Abfallwirtschaft gleichermaßen in Anspruch nimmt,
kann noch nicht die Rede davon sein, dass einzelne Teilleistungsbereiche über
die Grundgebühr bezuschusst werden.
Die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass von jedem Gebührenschuldner
die Grundgebühr erhoben wird, obwohl die Inanspruchnahme der öffentlichen
Einrichtung durchaus unterschiedlich sein wird, ist mit Blick auf den
Gleichheitssatz schon dadurch gerechtfertigt, dass die Bereitstellung einer
betriebsbereiten Abfallentsorgungseinrichtung Vorhaltekosten verursacht, die
bei einer geringeren Inanspruchnahme durch einzelne Gebührenpflichtige nicht in
gleichem Maße abnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 1981 - BVerwG 8 B 20.81 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren
Nr. 44). Dieser Gesichtspunkt schlägt auch dann durch, wenn die
unterschiedliche Nutzung bis hin zur Nichtnutzung einzelner
Teilleistungsbereiche reicht. Das gilt zumindest dann, wenn es sich bei dem
Teilleistungsbereich um eine typischerweise anfallende Leistung (hier:
Biomüllentsorgung) handelt, der hierfür anzusetzende Kostenanteil nicht in
krassem Missverhältnis zu den Gesamtkosten steht und dem Gebührenpflichtigen
ein Wechsel zwischen den verschiedenen Teilleistungsbereichen jederzeit möglich
ist. Letzteres trifft bei dem Kläger zu, der seine Entscheidung, Bioabfall
ausnahmslos auf seinem Grundstück zu kompostieren, von einem Tag zum anderen
aufgeben kann. Der Kläger kann jederzeit eine Biotonne aufstellen und damit
gegenüber der Beklagten den Anspruch erwerben, dass diese alle 14 Tage geleert
wird. Anhaltspunkte für ein krasses Missverhältnis der Kostenanteile sind hier
nicht erkennbar.
2.1.2 Das Berufungsgericht geht davon aus, dass auch die
Zusatzgebühr für Restabfall teilweise dazu dient, Unkosten der
Bioabfallentsorgung zu decken. Es hält dies für vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.
Dagegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
Die Beklagte hat die behälterbezogene Litergebühr für
Restabfall- und Bioabfallbehälter gleicher Größe gleich hoch angesetzt (z.B. 60
l = 138,60 DM bei 14-täglicher Leerung). Dabei beginnt die Gebührenstaffelung
bei den Bioabfallbehältern allerdings erst bei 60 l Füllraum, während
Restabfallbehälter auch mit kleinerem Volumen (20, 35 und 50 l) zugelassen sind.
Umgekehrt endet die Gebührenstaffel bei den Bioabfallbehältern bei einem
Volumen von 240 l, während für Restabfall auch noch größere Behälter (770 und 1
100 l) zulässig sind. Für diesen Weg, die Belastungsgleichheit herzustellen,
lässt sich zunächst als Rechtfertigung anführen, dass aus der Sicht des
Gebührenschuldners der Abholdienst entscheidend den Wert der in Anspruch
genommenen Leistung der Beklagten bestimmt. Indem er einen von der Beklagten
zugelassenen Behälter mit Abfall füllt, entledigt er sich in rechtmäßiger Weise
seines Abfalls. Diese Entledigungsmöglichkeit - und nicht der weitere Verbleib
des Abfalls - interessiert ihn als Abfallbesitzer. Auch bei getrennter
Entsorgung verschiedener Abfallfraktionen ist für ihn daher die Belastung mit
einer einheitlichen Behältergebühr ohne weiteres einleuchtend.
Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Entsorgung der
unterschiedlichen Abfallfraktionen verschieden hohe Kosten verursacht, wenn man
den Entsorgungsweg zu Ende verfolgt. Soweit dies im vorliegenden Fall für den
Bioabfall und den Restabfall zutrifft, zwingt dies den Satzungsgeber nicht, von
der Erhebung einer einheitlichen Behältergebühr abzusehen (a.A. anscheinend OVG
NW, Urteil vom 17. März 1998 - 9 A 1430/96 -
a.a.O., S. 776; HessVGH, Urteil vom 18. August 1999 - 5 UE 251/97 - NVwZ-RR 2000, 387 <388 f.>).
Das Bundesverwaltungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die
Auffassung, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht
verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige
Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil
vom 26. Oktober 1977 - BVerwG 7 C 4.76 -
Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 37 S. 39). Als sachliche Rechtfertigung
dafür, dass die Beklagte an einer einheitlichen Behältergebühr festhält, reicht
es aus, dass die Kosten, die der Beklagten für die Entsorgung von Restabfall
und Bioabfall entstehen, sich nur teilweise abgrenzen lassen. Nicht
unerhebliche Kosten (z.B. des Fuhrparks und des zugehörigen Personals) fallen
in beiden Sparten der Abfallwirtschaft an und würden sich allenfalls fiktiv der
einen oder anderen Sparte zuordnen lassen. Eine Vergleichsrechnung zwischen
Restabfall- und Bioabfallentsorgung würde sich damit unter dem Gesichtspunkt der
Praktikabilität als sehr fragwürdig darstellen. Sie war deswegen hier
entbehrlich. Anhaltspunkte für ein krasses Missverhältnis der Kosten für
Restabfall- und Bioabfallentsorgung, das einer einheitlichen Behältergebühr
dennoch entgegenstehen könnte, sind nicht erkennbar.
2.1.3 Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, kommt
hinzu, dass im vorliegenden Fall die Biotonne gezielt bezuschusst wird. Diese
(echte) Quersubventionierung erfolgt durch die Freistellung der ersten 60 l
Bioabfall von der Zusatzgebühr. Da die genannte Regelung - wie noch zu erörtern
ist (unten 2.2) - nicht gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG verstößt, ist sie
aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen sachgerecht und deswegen mit
Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 50, 217 <226>; 97, 332
<345>) hat auch das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach die
Verfolgung von Lenkungszwecken in Gebührenregelungen für zulässig erklärt.
Namentlich hat es die in den Abfallgesetzen der Länder normierte Verpflichtung
des kommunalen Satzungsgebers gebilligt, Abfallgebühren so zu gestalten, dass
hierdurch die Vermeidung und Verwertung von Abfällen gefördert wird (vgl.
Beschluss vom 3. Mai 1994 - BVerwG 8 NB 1.94
- Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 70 S. 15 ff.; Beschluss vom 26. Mai
1998 - BVerwG 8 B 82.98 - Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 89 S. 75 f.). Nach den vom Berufungsgericht im
vorliegenden Fall getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist die in Rede
stehende Regelung auch geeignet, die gewünschten Anreize zur Trennung der
Abfallfraktionen zu erzielen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs. 2
KrW-/AbfG). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler insbesondere darauf
abgestellt, dass der mittlerweile bei der Beklagten für die Biotonne erzielte
Anschlussgrad von 94,4 % ohne eine Quersubventionierung der Biotonne nicht
erreichbar wäre.
Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die
Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von der Zusatzgebühr sei nicht dazu
angetan, die Bereitschaft der privaten Haushaltungen zu fördern, durch ihr
Verhalten zur Bioabfallvermeidung beizutragen. Entgegen der Auffassung des
Klägers ist dem in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG normierten Vorrang der Abfallvermeidung
vor der Abfallverwertung keine Entscheidung des Bundesgesetzgebers für oder
gegen ein bestimmtes Gebührenmodell zu entnehmen. Es bleibt vielmehr im
Grundsatz Sache des kommunalen Satzungsgebers im Rahmen der landesrechtlichen
Vorgaben durch seine Gebührenregelung vorrangig ein Verhalten der Abfallbesitzer
zu fördern, das ihm im Interesse der Funktionsfähigkeit der kommunalen
Abfallwirtschaft notwendig erscheint. Dazu gehört eine breite Akzeptanz der
Biotonne. Insofern steht dem Satzungsgeber eine gebührenrechtliche
Konzeptbefugnis zu, die auch - als "Werbegeschenk" an die Produzenten
von Bioabfall - einen teilweisen Gebührenverzicht umfasst. Zielkonflikte mit
anderen abfallwirtschaftlichen Zwecksetzungen können dabei in Kauf genommen
werden.
2.1.4 Die Befugnis, die Akzeptanz der Biotonne durch einen
teilweisen Gebührenverzicht zu fördern, wird nicht durch die Maßgaben
beschränkt, die der 6. Senat des erkennenden Gerichts in seiner
"Semesterticket"-Entscheidung (Urteil vom 12. Mai 1999 - BVerwG 6 C 14.98 - BVerwGE
109, 97 <113 ff.>) entwickelt hat. Dies ist klarstellend zu bemerken,
weil die angesprochenen Maßgaben vom 6. Senat im Ansatz aus dem Gleichheitssatz
und dem Äquivalenzprinzip abgeleitet worden sind (a.a.O., S. 113). Dessen
ungeachtet sind sie durch die Eigentümlichkeiten geprägt, die für Beiträge
gelten, die eine Studentenschaft von ihren studentischen Mitgliedern erhebt.
Die genannten Maßgaben eignen sich aus diesem Grunde nicht für eine
Verallgemeinerung. Zumindest sind sie nicht auf das Abfallgebührenrecht
übertragbar.
2.2 Dem Kläger ist zuzugeben, dass es zu weit ginge, wenn
von der Freistellung der ersten 60 l Bioabfall ein "finanzieller
Anschlusszwang" ausginge. Denn insofern würde die Gebührenregelung mit §
13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG kollidieren. Nach dieser Vorschrift sind Eigenkompostierer
von einem abfallrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang auszunehmen. Diese
Entscheidung des Bundesgesetzgebers darf durch den kommunalen Satzungsgeber
nicht konterkariert werden. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
2.2.1 Die Einheit der Rechtsordnung verbietet es dem
Satzungsgeber, sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu entscheiden,
die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer Regelung des
Bundesgesetzgebers widerspricht. Eine insoweit vom Sachgesetzgeber getroffene
Entscheidung darf nicht durch die gebührenrechtliche Lenkungswirkung verfälscht
werden (vgl. BVerfGE 98, 106 <118 f.>;
bestätigt durch BVerfGE 98, 265 <298
ff.>).
In Abweichung vom Verursacherprinzip, das in § 5 Abs. 2 Satz
1 und § 11 KrW-/AbfG normiert ist, sind bei Abfällen aus privaten Haushaltungen
die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Entsorgung verantwortlich
(vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG). Als Ausnahme von diesem
Grundsatz räumt § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG aber den privaten Haushaltungen
das Recht zur eigenen Verwertung ein, soweit sie dies wollen und hierzu in der
Lage sind. Der Gesetzgeber hat bei dieser Ausnahme speziell an die Möglichkeit
der Eigenkompostierung gedacht (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs,
BTDrucks 12/5672, S. 44). Dieser privaten "Verwertungsoption" (Klöck, NuR 1999, 441 <442>)
widerspricht die in Rede stehende Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von
der Zusatzgebühr nicht. Hierdurch wird die Eigenkompostierung weder verboten
noch unzumutbar erschwert. Den privaten Haushaltungen wird aber auch nicht eine
Biotonne aufgezwungen (so in dem Fall OVG NW, Urteil vom 10. August 1999 - 22 A 5429/96 - NVwZ
1999, 91 f.). Eigenkompostierer sind vielmehr nur einem werbenden Anreiz
ausgesetzt, die Biotonne zusätzlich zu nutzen.
Dies ist bundesrechtlich zulässig und steht im Einklang mit
dem abfallwirtschaftlichen Ziel einer ordnungsmäßigen und schadlosen
Abfallverwertung (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW- /AbfG). Denn unzweifelhaft - auch
der Kläger bestreitet dies nicht - gibt es problematischen Bioabfall (z.B.
Fleisch- und Fischabfälle, gekochte Speisereste, mit Krankheitserregern
versetzte Pflanzenreste), der von privaten Haushalten nur unter erheblichen
Schwierigkeiten im Wege der Kompostierung ordnungsgemäß entsorgt werden kann.
Es mag dahinstehen, ob die Befreiung von dem Anschluss- und Benutzungszwang auf
der Grundlage von § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG umfassend gehandhabt werden muss
(so OVG NW, Urteil vom 10. August 1999 - 22 A
5429/96 - a.a.O.) oder ob es zulässig ist, die Befreiung im Wege einer
Verwaltungsentscheidung auf die unproblematisch kompostierbaren Bioabfälle zu
beschränken. So oder so muss eine Lösung dieses Problems erzielt werden.
Insoweit erscheint es angemessen, dass der kommunale Satzungsgeber durch
Subvention der Biotonne einen Anreiz zu deren Nutzung auch gerade durch
Eigenkompostierer schafft.
Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG verbieten es
nicht, dieses "Werbegeschenk" teilweise über die Grundgebühr und auch
über die Zusatzgebühr für den Restabfallbehälter zu finanzieren. Die
Alternative, zur Refinanzierung Steuermittel einzusetzen, drängt sich nicht
auf. Auch Aufwendungen im Interesse eines legitimen Lenkungszwecks zählen zu
den Kosten, die durch das Gebührenaufkommen zu decken sind. Aus den zuvor
erörterten Gründen ist der hier mit der Quersubventionierung der Biotonne
verfolgte Lenkungszweck gesetzeskonform.
2.2.2 Der Kläger kann den vorstehenden Überlegungen nicht
mit Erfolg entgegenhalten, dass er in seinem Haushalt eine strikte
Abfallvermeidung (z.B. den Einkauf von knochenlosem Fleisch) praktiziere und
etwa dennoch anfallenden problematischen Bioabfall unter Beachtung aller
gebotener Vorsicht schadlos verwerte. Dies mag für seine Person eine geeignete
Problemlösung darstellen. Auf eine derart individuelle Betrachtung der Dinge
brauchte sich der kommunale Satzungsgeber bei seiner Gebührenregelung jedoch
nicht einzulassen. Es geht hier um die Regelung von Massenerscheinungen, die
eine Typisierung erfordert (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 -
BVerwG 8 N 3.93 - Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 36). Der Satzungsgeber konnte es als unpraktikabel
ansehen, das verantwortungsbewusste Verhalten der Eigenkompostierer durch einen
behördlichen "Überwachungsdruck" sicherzustellen. Das reicht als
sachlich einleuchtender Grund aus, um sich dafür zu entscheiden, auf eine
schadlose Verwertung des problematischen Bioabfalls mittels des Anreizes der
Freimenge von 60 l Bioabfall hinzuwirken.
Einzelne Eigenkompostierer - wie der Kläger - mögen auf
diesen Anreiz nicht ansprechen. Das steht ihnen frei, erfordert aber auch
keinen Ausgleich durch eine gebührenrechtliche Bonusregelung. Ein finanzieller
Bonus für die Weigerung, einen Bioabfallbehälter zu nutzen, findet in § 13 Abs.
1 Satz 1 KrW-/AbfG auch bei denkbar weiter Auslegung keine Rechtsgrundlage. Er
würde außerdem die Lenkungswirkung der Freimengenregelung unangemessen
abschwächen.
Für den vom Kläger angesprochenen Fall, dass sich
benachbarte Grundstücke gemäß § 17 Abs. 7 der Abfallwirtschaftssatzung (AWS)
vom 27. November 1995 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems vom 22.
Dezember 1995, S. 1729) zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung
zusammenschließen, ergeben sich keine relevanten Besonderheiten. Die Folge,
dass nach § 2 Abs. 1 Satz 4 AGS Gebühren nur für ein Grundstück erhoben werden,
ist für einen Eigenkompostierer nicht von Nachteil.