Bundesgerichtshof

2. Strafsenat

Urteil vom 19. August 1992

 

Az: 2 StR 86/92

 

Leitsatz:

 

1. Der Bürgermeister einer hessischen Gemeinde hat im Aufgabenbereich der Abwasserbeseitigung eine Garantenstellung, kraft derer ihn die Verpflichtung trifft, rechtswidrige, von ortsansässigen Grundstückseigentümern ausgehende Gewässerverunreinigungen abzuwenden; unterlässt er dies, so ist er für dadurch verursachte Gewässerverunreinigungen unter Umständen selbst strafrechtlich haftbar.

 

2. StGB § 326 Abs 1 Nr. 3 tritt hinter StGB § 324 zurück (Gesetzeskonkurrenz), wenn eine nachhaltige Gewässerverunreinigung durch (unbefugte) Beseitigung von Abwasser herbeigeführt worden ist.

 

HSGZ 1993, S. 307-312 

 

 

 

Gründe

 

I.

 

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Gewässerverunreinigung (§ 324 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt.

 

Mit seiner Revision rügt er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts.

 

Das Rechtsmittel führt zum Wegfall der Verurteilung wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung, hat aber im Übrigen keinen Erfolg.

 

a) Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

 

Das gilt zunächst für die Rüge unvorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO). Die Behauptung, der Schöffe K. habe zeitweise während der Hauptverhandlung geschlafen (oder sei vorübergehend sonst wahrnehmungsunfähig gewesen), ist nicht bewiesen. Der Schöffe selbst hat ihr in seiner dienstlichen Erklärung widersprochen. Der Beweis dafür, dass er während eines nicht unerheblichen Zeitraums außerstande gewesen sei, wesentlichen Vorgängen der Hauptverhandlung zu folgen (vgl. BGHSt 2, 14, 15 f), ist durch die schriftlichen Äußerungen des Beschwerdeführers und mehrerer Zuhörer nicht erbracht. Er lässt sich auch nicht durch weitere Beweiserhebungen führen - es erübrigte sich deshalb, entsprechenden Anträgen des Beschwerdeführers (Vernehmung des den Schöffen behandelnden Arztes, Einholung eines Sachverständigengutachtens) Folge zu geben. Die weiter erhobene Aufklärungsrüge, mit der die Revision beanstandet, dass drei näher bezeichnete Schriftstücke nicht verlesen worden seien (§ 244 Abs. 2 StPO), ist unzulässig, da der Beschwerdeführer den Inhalt dieser Schriftstücke nicht vollständig mitgeteilt hat (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Soweit er schließlich rügt, das Gericht habe bestimmte Urkunden verwertet, obwohl diese nicht in die Verhandlung eingeführt worden seien (§ 261 StPO), ist diese Rüge unbegründet. Wiewohl diese Urkunden mit ihrem vollständigen Wortlaut in den Urteilsgründen erscheinen, sind lediglich bestimmte, dem Umfang nach geringfügige Teile (nachträgliche Änderungen betreffend), die durch Erörterung mit dem Angeklagten oder auch Zeugen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden sein können, zu Beweiszwecken verwertet worden (vgl. BGHSt 11, 159, 162).

 

b) Auch die Sachbeschwerde bleibt im Wesentlichen erfolglos. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Gewässerverunreinigung ist frei von ihn beschwerenden Rechtsfehlern; sie wird von den hierzu getroffenen Feststellungen getragen.

 

2. Der Angeklagte war ab 1978 Bürgermeister der Stadt B.. Die Stadt verfügte seit 1968 über eine damals ausreichende Kläranlage für die städtischen Abwässer. Die 1972 und 1977 eingemeindeten Orte H., Ha., He., L. und S. besaßen Teilortkanalisationen, die in verschiedene Bäche mündeten. Die Einleitung der Abwässer in diese Bäche war der Stadt vom Landrat - als unterer Wasserbehörde - durch Erlaubnisbescheide gestattet. Diese Bescheide beschrieben die zugelassene Abwasserbeschaffenheit und enthielten Bedingungen. Vorgeschrieben war darin, dass bis zur Erstellung einer zentralen Kläranlage den Kanälen nur vorgereinigtes Abwasser zugeführt werden dürfe, wozu der Einbau von Kleinkläranlagen nach DIN 4261 notwendig sei. Außerdem habe die Erlaubnisinhaberin durch Ortssatzung sicherzustellen, dass die Kleinkläranlagen in jedem einzelnen Falle nach den geltenden Richtlinien und Normen betrieben sowie gewartet würden.

 

Demgemäß bestimmte die am 10. Dezember 1981 beschlossene Abwassersatzung der Stadt, dass Kläreinrichtungen vom Grundstückseigentümer angelegt und betrieben werden müssten, wenn - was für die genannten neuen Stadtteile zutraf - die öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen noch nicht an ein öffentliches Klärwerk angeschlossen seien (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e AbwS); die Grundstückskläreinrichtung sei nach den bauaufsichtlichen Bestimmungen und den allgemein anerkannten Regeln der Abwassertechnik herzustellen, zu unterhalten und gegebenenfalls zu ändern oder zu erneuern (§ 7 Abs. 2 AbwS).

 

Alsbald nach seinem Amtsantritt hatte der Angeklagte den Bau einer zentralen Großkläranlage in Angriff genommen. Nach mehrjähriger Planung begann Mitte November 1984 der Bau. Nach und nach wurden die neuen Stadtteile an die Großkläranlage angeschlossen, und zwar H. Mitte 1986, S. Ende 1987, He. Ende 1988, Ha. zur Jahreswende 1988/89 und L. Mitte 1990.

 

Bis dahin jedoch leiteten Grundstückseigentümer nicht vorgereinigte Abwässer in die Teilortkanalisationen und damit auch in die entsprechenden Bäche ein. Diese wurden dadurch verunreinigt. Die Hessische Landesanstalt für Umwelt (HLfU) kam bei mehreren Untersuchungen (1981 bis 1985) zu dem Ergebnis, dass die Abwässer aus den Teilortkanalisationen einen erhöhten Gehalt an absetzbaren Stoffen aufwiesen und die in den Erlaubnisbescheiden festgesetzten BSB5-Werte (Parameter für den biologischen Sauerstoffbedarf eines Gewässers) erheblich überschritten waren.

 

Mit Schreiben vom 19. Januar 1982, von dem der Angeklagte am folgenden Tage Kenntnis nahm, kündigte der Landrat dem Magistrat der Stadt B. eine Verfügung an, mit der sie verpflichtet werde, im Stadtteil Ha. alle bebauten Grundstücke hinsichtlich der Abwasserbehandlung, insbesondere auch der Wartung und Funktionstüchtigkeit der Hausklärgruben, zu überprüfen sowie Untersuchungen durchführen zu lassen. Als Grund hierfür wurde genannt, dass eine von der HLfU 1981 vorgenommene Untersuchung erhebliche Überschreitungen des im Erlaubnisbescheid fixierten BSB5-Wertes ergeben hatte.

 

Spätestens seit Erhalt dieses Schreibens war dem Angeklagten bekannt, dass in Ha. Abwassereinleitungen entgegen den Vorschriften des Erlaubnisbescheids und der Abwassersatzung stattfanden. Zutreffend nahm er an, dass dies in den anderen neuen Stadtteilen ebenso sei, zumal diese die gleiche landwirtschaftlich geprägte Struktur besaßen. Auch hatte er Kenntnis davon, dass die Vorreinigung der Abwässer durch Hausklärgruben nicht bei allen Grundstückseigentümern gewährleistet war. Gleichwohl unternahm er zunächst nichts, um diese Eigentümer zu ermitteln und gegen sie vorzugehen. Als am 8. März 1982 - entsprechend der Ankündigung - der Verpflichtungsbescheid des Landrats erging, legte der Angeklagte hiergegen Widerspruch ein; dieser erledigte sich Ende 1982 durch eine mit dem Landrat getroffene Vereinbarung, die außer bestimmten Kontrollen und Untersuchungen vorsah, dass die Grundstückseigentümer der Stadtteile durch öffentliche Bekanntmachung auf ihre Abwasserbeseitigungspflichten hinzuweisen seien. Demgemäß ließ der Angeklagte in der "B. Zeitung" vom 27. Januar 1983 eine entsprechende Bekanntmachung veröffentlichen.

 

Am 8. März 1983 verlangte der Landrat im Zuge von Vorbereitungen für die Erhebung von Abwasserabgaben von der Stadt eine Erklärung über den Zustand und die Wartung der häuslichen Vorkläranlagen. Der Angeklagte weigerte sich, eine solche Erklärung abzugeben, bat jedoch schließlich mit Schreiben vom 15. September 1983 alle Hausbesitzer um Bestätigung, dass die jeweils zu ihrem Wohnhaus gehörende Kleinklärgrube ordnungsgemäß gewartet und entsorgt werde. Die erbetenen Bestätigungen gingen nur schleppend ein. Bei einer Besprechung vom 21. Februar 1984 äußerte der Angeklagte gegenüber Beamten des Landrats, er gehe davon aus, dass in den verschiedenen Stadtteilen 20 bis 30 % der Anwesen - in H. etwa 100 Grundstücke - keine Klärgruben hätten und in vielen anderen Fällen deren Wartung nur sehr unvollkommen erfolge. In einer Magistratsvorlage vom 9. August 1984 gab er eine ähnliche Schätzung ab (20 % der Haushalte ohne Klärgrube oder ausreichende Wartung) und bat um Entscheidung, wie verfahren werden solle. Weiter unternahm er in diesem Jahr nichts, um der Gewässerverschmutzung entgegenzutreten.

 

Eine Ausnahme bildet lediglich der Fall des F., der von seinem Anwesen in S. häusliche Abwässer ohne Vorreinigung in die Kanalisation einleitete. Als der Angeklagte durch die Polizei davon erfuhr, forderte er F. mit Schreiben vom 22. Mai 1984 auf, eine Kleinkläranlage nach DIN 4261 einzubauen und die weitere Einleitung ungeklärten Abwassers zu unterlassen. F. beantwortete dieses Schreiben nicht.

 

Anfang 1985 ließ der Angeklagte Ermittlungen vornehmen, die im Oktober 1985 zu dem Ergebnis führten, dass in den neuen Stadtteilen 103 sicher ermittelte Hauseigentümer keine Kleinkläranlage besaßen. Auch gegen sie ergriff der Angeklagte keine verwaltungsrechtlichen Zwangsmaßnahmen.

 

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1985 übersandte der Landrat der Stadt einen im Vormonat erhobenen Untersuchungsbefund der HLfU, wonach in den neuen Stadtteilen konzentriertes Abwasser mit erhöhtem Gehalt an absetzbaren Stoffen festgestellt worden sei, was auf eine nicht ausreichende Wartung der Hauskläranlagen hindeute; mit der Bitte um Stellungnahme verband er den Hinweis auf die Pflicht zur Abwasserbeseitigung und fügte die Mitteilung an, dass er den Vorgang wegen Verdachts von Gewässerverunreinigungen der Staatsanwaltschaft vorgelegt habe.

 

Als der Magistrat daraufhin am 11. November 1985 über dieses Schreiben beriet, stellte er fest, dass die Stadt ihre Überwachungspflicht erfüllen und die betroffenen Grundstückseigentümer zur Installation von Hausklärgruben auffordern müsse. Diese Maßnahme sei jedoch nicht sinnvoll und angesichts der damit verbundenen Kosten (5.000 bis 7.000 DM je Anlage) für die kurze Zeit bis zum Anschluss an die Großkläranlage wirtschaftlich nicht vertretbar. Vorgeschlagen werde deshalb, die zuständigen Behörden auf dieses Problem hinzuweisen und nach Möglichkeit eine Duldung des bisherigen Zustands bis zum Klärwerksanschluss zu erreichen.

 

Am 13. Februar 1986 erließ der Angeklagte gegen den bereits erwähnten F. eine Verwaltungsverfügung, mit der er ihm unter Zwangsgeldandrohung die Errichtung einer Kleinkläranlage nach DIN 4261 bis zum 20. Mai 1986 aufgab. Damit verband er die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Diese war anschließend Gegenstand eines Verwaltungsgerichtsverfahrens, das sich - nachdem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des inzwischen erhobenen Widerspruchs wiederhergestellt hatte - in der Beschwerdeinstanz durch den Klärwerksanschluss von S. (Ende 1987) erledigte. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschied mit Beschluss vom 15. Februar 1988, dass F. die Verfahrenskosten zu tragen habe, weil eine summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergebe, dass, hätte sich der Rechtsstreit nicht inzwischen erledigt, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (vermutlich) bestätigt worden wäre.

 

Im Februar 1986 wandte sich der Angeklagte zudem mit gleichlautendem Schreiben an die weiteren 103 Grundstückseigentümer, die keine Kleinkläranlage besaßen; darin bekundete er grundsätzlich Verständnis für die Einwände gegen den Einbau solcher Anlagen, wies jedoch darauf hin, dass er gesetzlich verpflichtet sei, die Grundstückseigentümer zu dieser Maßnahme aufzurufen.

 

Die Staatsanwaltschaft leitete seit Anfang 1986 gegen 118 Grundstückseigentümer, die nicht über Kleinklärgruben verfügten, Ermittlungsverfahren wegen Gewässerverunreinigung ein. Die Verfahren wurden bis auf wenige Fälle gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße von 6.000,-- DM oder die Auflage, eine Kleinkläranlage einzubauen, eingestellt. In mindestens der Hälfte dieser Fälle errichteten die Eigentümer nachträglich eine solche Anlage. Bei ordnungsgemäßem Betrieb halten die Kleinklärgruben mindestens 80 % der absetzbaren Stoffe zurück, die besonders sauerstoffzehrend sind und ein Gewässer erheblich verschmutzen können.

 

3. Das Landgericht macht dem Angeklagten zum Vorwurf, die von den Grundstückseigentümern verursachten Gewässerverschmutzungen nicht durch Verwaltungszwang verhindert zu haben. Es geht dabei davon aus, dass - wenn der Angeklagte ab Januar 1982 die verantwortlichen Eigentümer ermittelt und ihnen ab Mitte 1983 durch Verwaltungsverfügung den Bau von Kleinkläranlagen aufgegeben hätte - selbst diejenigen unter ihnen, die sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gerichtlich gewehrt hätten, spätestens 1985 endgültig vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unterlegen wären, sich dann dem Verwaltungszwang gebeugt und Kleinkläranlagen - mit der Folge einer Vermeidung weiterer Gewässerverschmutzung - gebaut hätten.

 

 

II.

 

Die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Gewässerverunreinigung (§ 324 Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung stand.

 

1. Diese Straftat kann auch von Amtsträgern begangen werden, da sie nach der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Tatbestands ein Allgemeindelikt ist (Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl. vor § 324 Rdn. 6, 6 a). Bei Amtsträgern einer Gemeinde besteht deshalb eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für Gewässerverunreinigungen insoweit, als die Gemeinde selbst Anlagen (wie etwa Krankenhäuser, Schwimmbäder, Kraftwerke, Mülldeponien oder Kläranlagen) betreibt und dabei Abwässer in den Vorfluter leitet, die das Gewässer verunreinigen (vgl. OLG Celle ZfW 1987, 126; OLG Köln NJW 1988, 2119 = ZfW 1989, 46, 49; LG München II NuR 1986, 259 = BayVBl. 1986, 316; Franzheim, Umweltstrafrecht S. 34; Rogall, Die Strafbarkeit von Amtsträgern im Umweltbereich, 1991 S. 147 ff; Breuer NJW 1988, 2084; Wolf Müller UPR 1990, 367). In dieser Hinsicht nehmen die für sie handelnden Personen innerhalb des Kreises der Täter keine Sonderstellung ein. Darum geht es hier aber nicht; eine strafrechtliche Haftung unter diesem Gesichtspunkt scheidet aus. Zwar war die Stadt Direkteinleiterin, und zwar als Trägerin der Teilortkanalisationen, also derjenigen Anlagen, die das nicht Vorgeklärte Abwasser aufnahmen, um es den Vorflutern zuzuleiten (Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG 5. Aufl. § 3 Rdn. 34, § 18 b Rdn. 3). Das Einleiten der von den Eigentümern "übernommenen" Abwässer vermochte aber eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zu begründen. Als Gegenstand des Vorwurfs einer nach § 324 Abs. 1 StGB strafbaren Gewässerverunreinigung kam es nicht in Betracht. Denn insoweit bestand für die Stadt keine rechtmäßige Verhaltensalternative (vgl. hierzu insbesondere: Mayer/Brodersen BayVBl. 1989, 259 f): Sie hätte, da sie mangels entsprechender Einrichtungen das in ihre Kanalisation geflossene Abwasser nicht selbst vorklären konnte, die Einleitung in die Vorfluter überhaupt unterlassen müssen, was ihr aber ohne Verstoß gegen ihre Abwasserbeseitigungspflicht nicht möglich gewesen wäre.

 

Mit Recht hat das Landgericht daher den Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs dahin bestimmt, dass es der Angeklagte als Organ der Gemeinde unterließ, die Grundstückseigentümer an der Einleitung nicht vorgeklärten Abwassers in die Teilortkanalisationen zu hindern. Für diese Unterlassung muss er strafrechtlich einstehen. Im Rahmen des § 324 Abs. 1 StGB besteht strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur für positives Tun, sondern auch für Unterlassen (Cramer in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 324 Rdn. 10; Bericht des BT-Rechtsausschusses zum Entwurf des 18. StrÄndG, BTDrucks. 8/3633 S. 20 f). Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Erörterung der Voraussetzungen, unter denen Amtsträger allgemein für die Abwendung eines tatbestandsmäßigen Erfolgs strafrechtlich haften (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 1, abl. dazu Ranft JZ 1987, 914; Rudolphi JR 1987, 336; Winkelbauer JZ 1986, 1119; zum Meinungsstand im Schrifttum: Rogall a.a.O. S. 144 ff). Auch erübrigt sich eine Stellungnahme zu der umstrittenen Frage, ob die Amtsträger der Wasserbehörden eine zur Verhinderung von Gewässerverunreinigungen verpflichtende Garantenstellung innehaben (zur Rechtsprechung vgl. Sack, Umweltschutz-Strafrecht, 3. Aufl. A.1.16 § 324 StGB Rdn. 211 ff; Horn/Hoyer JZ 1991, 703 ff; Schall NStZ 1992, 267 f; aus dem Schrifttum vgl. nur Steindorf in LK 10. Aufl. § 324 Rdn. 63 ff; Sack a.a.O. Rdn. 198 ff; Rogall a.a.O. S. 218 ff; Sangenstedt, Garantenstellung und Garantenpflicht von Amtsträgern, 1989 S. 633 ff, jeweils m.w.N.).

 

Nach dem zu beurteilenden Sachverhalt steht allein zur Entscheidung, ob der Bürgermeister einer hessischen Gemeinde für Gewässerverunreinigungen im Rahmen der Abwasserbeseitigung als Garant strafrechtlich haftet. Das ist zu bejahen. Er nimmt eine Garantenstellung ein, kraft derer ihn die Verpflichtung trifft, rechtswidrige Gewässerverunreinigungen abzuwenden, die dadurch entstehen, dass ortsansässige Grundstückseigentümer nicht Vorgeklärte Abwässer der Ortskanalisation zuführen und damit den Vorfluter verschmutzen. Grund dieser Garantenstellung ist eine entsprechende Pflicht der Gemeinde, deren Erfüllung dem Bürgermeister zufolge seiner dienstlichen Aufgaben als Amtsträger der Gemeinde obliegt (so im Ergebnis auch AG Hechingen NJW 1976, 1222, LG Fulda, Urt. v. 15. Dezember 1981, mitgeteilt bei Sack, Umweltschutz-Strafrecht a.a.O. Rdn. 221 a und AG Hof BayVBl. 1989, 763; ebenso: Franzheim, Umweltstrafrecht S. 41 f; Foerstemann, Städte- und Gemeindebund 1986, 104; Kausch, Die Gemeinde 1988, 69 f; Schmeken, Städte- und Gemeindebund 1987, 326; ders., Städte und Gemeinderat 1988, 15 ff; vgl. auch Gnauck, Gemeinde- und Städtebund RhPf 1990, 78 ff).

 

a) Die Gemeinde hat im Rahmen der Abwasserbeseitigung eine besondere Pflichtenstellung; ihr ist auf diesem Gebiet ein Verantwortungsbereich zugewiesen, der als wesentlichen Bestandteil auch den Schutz des in § 324 StGB strafbewehrten Rechtsguts der Gewässerreinheit zum Gegenstand hat (vgl. Schmeken, Umweltstrafrecht in den Kommunen, 2. Aufl. S. 58 ff; Franzheim, Umweltstrafrecht S. 35, 42). Das ergibt sich aus den für sie maßgeblichen gesetzlichen Regelungen, wie sie bereits für den hier in Rede stehenden Tatzeitraum galten. Dabei handelt es sich um die Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 1976 (BGBl. I S. 3017) wie auch derjenigen vom 23. September 1986 (BGBl. I S. 1529) und um die Vorschriften des Hessischen Wassergesetzes (HWG) in der Fassung vom 12. Mai 1981 (GVBl. I S. 154 = HWG 1981), die durch die Neufassung vom 22. Januar 1990 (GVBl. I S. 114 = HWG 1990) abgelöst worden ist. Danach obliegt der Gemeinde grundsätzlich als eine im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrzunehmende Pflichtaufgabe (§§ 2, 3 der Hessischen Gemeindeordnung i.d.F. vom 1. April 1981, GVBl. II 331-1-, im folgenden: HGO) die Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers (§ 18 a Abs. 2 Satz 1 WHG i. V. m. § 45 b Abs. 1 Satz 2 HWG 1981, § 52 Abs. 1 Satz 1 HWG 1990). Der Umfang dieser Aufgabe, deren Erfüllung den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung von Abwasseranlagen erfordert, wird dadurch verdeutlicht, dass Abwasser dem Beseitigungspflichtigen, also grundsätzlich der Gemeinde, zu "überlassen" ist (§ 45 b Abs. 1 Satz 1 HWG 1981, § 52 Abs. 2 Satz 1 HWG 1990). Das Gesetz hat damit - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - allen Bürgern die Pflicht auferlegt, sich zur Beseitigung von Abwasser ausschließlich der Gemeindeeinrichtungen zu bedienen, und dadurch eine umfassende Alleinzuständigkeit der Gemeinde für die Abwasserbeseitigung begründet.

 

b) Es liegt bereits in der Natur der Sache, dass die Beseitigung von Abwasser, das in den Vorfluter fließt, dessen Gewässereigenschaften nachteilig zu verändern vermag und damit eine erhebliche Gefahrenquelle eröffnet; es ist Pflicht der Gemeinde, diese Gefahrenquelle so zu beherrschen, dass der Schutz gegen Gewässerverunreinigungen soweit wie möglich gewährleistet wird (Odersky in Festschrift für Tröndle, 1987 S. 294). Die verwaltungsrechtliche Pflicht der Gemeinde, im Rahmen der ihr aufgetragenen Abwasserbeseitigung für den Schutz dieses Rechtsguts zu sorgen und die mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe einhergehenden Gefahren einer Beeinträchtigung der Gewässerbeschaffenheit abzuwenden, findet Ausdruck in den gesetzlichen Regelungen. Abwasser ist so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 18 a Abs. 1 Satz 1 WHG). Vermeidbare Beeinträchtigungen der Gewässer haben zu unterbleiben (§ 1 a Abs. 1 WHG). Jedermann, also auch die Gemeinde, ist verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten (§ 1 a Abs. 2 WHG). Der zur Tatzeit geltende § 45 a Abs. 1 Satz 1 HWG 1981 schrieb ausdrücklich vor, bei der Beseitigung von Abwasser schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen des Vermeidbaren zu verhindern und - soweit unvermeidlich - auf das Mindestmaß zu beschränken. Mittelbar wird die Pflicht der Gemeinde zur schadlosen, die Gewässergüte möglichst schonenden Abwasserbeseitigung auch in den Anforderungen erkennbar, die das Gesetz an die Erteilung von Erlaubnissen für das Einleiten von Abwasser in den Vorfluter stellt. So darf eine solche Erlaubnis (von der zuständigen Wasserbehörde) nur erteilt werden, wenn die Schadstofffracht des Abwassers ein bestimmtes, näher umschriebenes Maß nicht überschreitet (§ 7 a Abs. 1 Satz 1 WHG); entsprechen Abwassereinleitungen diesen Vorgaben nicht, so hat der Einleiter, im Regelfall also die Gemeinde, die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen durchzuführen (§ 22 a Abs. 1 Satz 1 HWG 1981, § 26 Abs. 1, 2 HWG 1990). Aus der Gesamtheit dieser Regelungen ergibt sich, dass die Gemeinde grundsätzlich verpflichtet ist, das in ihrem Gebiet anfallende Abwasser schadlos, also ohne vermeidbare Beeinträchtigungen der Gewässer, zu beseitigen (vgl. Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. Rdn. 302). Diese verwaltungsrechtliche Pflicht dient - zumindest auch - dem Schutz des in § 324 StGB mit Strafandrohung bewehrten Rechtsguts und stimmt insoweit mit dem strafrechtlichen Normgebot überein.

 

Die Pflicht der Gemeinde, im Bereich der ihr zugewiesenen Abwasserbeseitigung dafür zu sorgen, dass Gewässerverunreinigungen unterbleiben, reicht dabei soweit, wie die verunreinigenden Einwirkungen auf das Gewässer verwaltungsrechtlich unstatthaft, also nicht durch eine entsprechende Erlaubnis der Wasserbehörde gedeckt sind. Hier lag für die Einleitung nicht vorgeklärten Abwassers eine Erlaubnis der Wasserbehörde nicht vor. Denn die Erlaubnisbescheide des Landrats enthielten jeweils die Bedingung, dass den Kanälen nur vorgereinigtes Abwasser zugeführt werden dürfe. Soweit diese Bedingung nicht erfüllt wurde, war daher die Einleitung unstatthaft (vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG 5. Aufl. § 4 Rdn. 5, § 324 StGB Rdn. 35).

 

c) Angesichts dieser Rechtslage verdichtete sich die allgemeine Pflicht der Gemeinde, Gewässerverunreinigungen zu verhüten, hier für die Stadt zu dem Handlungsgebot, diejenigen Grundstückseigentümer, die den Teilortkanalisationen nicht vorgeklärtes Abwasser zuführten, an der Fortsetzung dieses Tuns zu hindern. Denn einerseits durfte die Stadt solches Abwasser nicht in die Gewässer einleiten; andererseits war es ihr aber nicht möglich, das in ihre Kanalisation gelangte Abwasser selbst vorzuklären oder dessen Abfluss in den Vorfluter aufzuhalten. Demzufolge konnte sie ihre Pflicht zur Verhütung rechtswidriger Gewässerverunreinigungen nur dadurch erfüllen, dass sie bereits die Einleitung des nicht vorgeklärten Abwassers in ihre Kanalisation unterband.

 

Diesem Handlungsgebot war zum Teil dadurch genügt, dass die Stadt in Wahrnehmung ihrer Rechtssetzungsbefugnis (§ 45 b Abs. 2 Satz 1 HWG 1981, § 5 HGO) am 10. Dezember 1981 eine Abwassersatzung erlassen hatte, die den ortsansässigen Grundstückseigentümern die Pflicht auferlegte, Grundstückskläreinrichtungen anzulegen und zu betreiben, falls - was für die neuen Stadtteile zutraf - die öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen (Teilortkanalisationen) noch nicht an ein öffentliches Klärwerk angeschlossen waren (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e, Abs. 2 AbwS). Doch erschöpfte sich das für die Stadt verbindliche Handlungsgebot darin nicht. Vielmehr hatte sie darüber hinaus die Grundstückseigentümer auch zur Befolgung der genannten Pflicht anzuhalten und deren Erfüllung notfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Die Mittel dazu standen ihr zu Gebote: Sie konnte die Pflichtigen durch Verwaltungsverfügung zum Bau von Grundstückskläreinrichtungen auffordern, die sofortige Vollziehung anordnen und sodann die Vollstreckung betreiben (§ 16 AbwS i.V.m. §§ 2 Nr. 2, 68 ff des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 4. Juli 1966, GVBl. II 304-12-). Sie war verpflichtet, von dieser Möglichkeit erforderlichenfalls auch Gebrauch zu machen. Einen Ermessensspielraum hatte sie insoweit nicht. Ein Entschließungsermessen stand ihr nicht zu, weil sie an die Erlaubnisbescheide des Landrats, die ihre Pflicht zur schadlosen Abwasserbeseitigung konkretisierten, gebunden war (vgl. Schmeken, Städte- und Gemeindebund 1987, 326). Ebenso wenig besaß sie, was die zu ergreifenden Maßnahmen anbetraf, ein Auswahlermessen. Denn weitere Gewässerverunreinigungen ließen sich nur durch - notfalls zwangsweise - Einwirkung auf die Grundstückseigentümer verhüten.

 

d) Den Angeklagten traf hierfür die strafrechtliche Verantwortlichkeit als Garant, da diese Stellung in seiner Person begründet war. Als Bürgermeister oblag ihm die Dienstpflicht zur Wahrnehmung seines Amtes und damit zugleich die Verpflichtung, für die Erfüllung des Handlungsgebotes zu sorgen, das die Stadt zu befolgen hatte, um drohende Gewässerverunreinigungen abzuwenden. Die dazu notwendigen Maßnahmen fielen in seine Zuständigkeit. Als Leiter der städtischen Verwaltung war er verantwortlich für den Vollzug der Abwassersatzung. Aus dem entsprechenden Handlungsgebot, dem die Stadt unterlag, ergab sich für ihn die kraft seines Amtes wahrzunehmende Pflicht, gegen diejenigen Grundstückseigentümer vorzugehen, die - entgegen der Satzung - noch keine Grundstückskläreinrichtung angelegt hatten und demgemäß der städtischen Kanalisation Abwässer zuführten, die nicht vorgeklärt waren und darum die Vorfluter verschmutzten. Das vom Angeklagten zu fordernde Vorgehen, nämlich die Ermittlung der betreffenden Grundstückseigentümer, der Erlass von Verwaltungsverfügungen und deren Durchsetzung, gehörte zum Kreis der laufenden Verwaltungsangelegenheiten, die er selbständig zu erledigen hatte (§ 70 Abs. 2 HGO, zur entsprechenden Rechtslage in Bayern vgl. Wolf Müller UPR 1990, 371). Eine Zuständigkeit des Magistrats bestand dafür nicht. Sie ergab sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Sache. Die Rechtslage war eindeutig; alle Grundstückseigentümer, die noch keine Hauskläranlage besaßen, waren nach der Abwassersatzung in gleicher Weise verpflichtet, sie einzubauen und zu betreiben. Eine differenzierende Beurteilung ihrer entsprechenden Verpflichtung kam nicht in Betracht. Die Stadt hatte rechtlich keinen Handlungsspielraum; ihr stand insbesondere nicht die Möglichkeit offen, einzelne Grundstückseigentümer von der genannten Pflicht freizustellen, da sie damit zwangsläufig gegen die Bedingungen der ihr erteilten Erlaubnisbescheide des Landrats verstoßen hätte. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage konnte es nur darum gehen, die betreffenden, sich satzungswidrig verhaltenden Grundstückseigentümer zu ermitteln, gegen sie inhaltlich übereinstimmende Verwaltungsverfügungen zu erlassen und deren Befolgung notfalls zwangsweise durchzusetzen. Dies war Sache des Bürgermeisters, nicht des Magistrats. Soweit die Revision für die Führung der Verwaltungsgerichtsverfahren eine Zuständigkeit der Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung) aus § 51 Nr. 18 HGO ableiten will, verkennt sie, dass diese Vorschrift Geschäfte der laufenden Verwaltung ausdrücklich hiervon ausnimmt.

 

Die dem Angeklagten danach obliegende Garantenpflicht umfasste - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - nicht nur das Gebot, gegen Grundstückseigentümer vorzugehen, von denen er wusste, dass sie in Ermangelung von Kleinkläranlagen nicht vorgereinigtes Abwasser in die Gewässer gelangen ließen. Vielmehr war er, soweit er die verursachenden Grundstückseigentümer nicht kannte, auch dazu verpflichtet, sie zu ermitteln. Denn seine Garantenpflicht leitete sich ab aus der entsprechenden Verpflichtung der Stadt, die er als deren Bürgermeister wahrzunehmen hatte; sie blieb ihrem Umfang nach nicht hinter dieser zurück. Die Pflicht der Stadt, Gewässerverunreinigungen durch satzungswidrige Einleitung ungeklärter Abwässer zu verhindern, schloss aber auch das Gebot ein, die zuwiderhandelnden Grundstückseigentümer ausfindig zu machen, weil nur so ihr Verhalten unterbunden werden konnte.

 

2. Demgemäß hat der Angeklagte den Tatbestand der Gewässerverunreinigung (§ 324 Abs. 1 StGB) durch Unterlassen verwirklicht, soweit die pflichtwidrige Verabsäumung der von ihm zu ergreifenden Maßnahmen für den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs ursächlich war.

 

Die fortlaufende Einleitung ungeklärter Abwässer in die Vorfluter hat - wie den Urteilsfeststellungen zu entnehmen ist - durchgängig zu Gewässerverunreinigungen geführt (zum Begriff der Gewässerverunreinigung vgl. BGHR StGB § 324 Abs. 1 Veränderung 1, 2). Dem steht nicht entgegen, dass Werte, die dies belegen, naturgemäß nur für die jeweiligen Untersuchungszeitpunkte vorliegen.

 

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Unterlassung des Angeklagten Gewässerverunreinigungen insoweit verursacht hat, als diese unterblieben wären, wenn er seinen Handlungspflichten genügt hätte. Von da aus ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte bei pflichtgemäßem Vorgehen in der Zeit von Januar 1982 bis Mitte 1983 Grundstückseigentümer, die den Teilortkanalisationen nicht vorgeklärtes häusliches Abwasser zuführten, ermittelt hätte, ab Mitte 1983 in der Lage gewesen wäre, gegen die so ermittelten Grundstückseigentümer im Wege des Verwaltungszwangs vorzugehen, und spätestens 1985 durch diese Maßnahmen selbst diejenigen Grundstückseigentümer, die sich dagegen gerichtlich gewehrt hätten, zum Einbau der die Gewässerverunreinigung beendenden Kleinkläranlagen bestimmt worden wären.

 

Die Beweiswürdigung, die diese Feststellungen zum hypothetischen Kausalverlauf trägt, ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - frei von Rechtsfehlern; sie beruht insbesondere nicht auf Vermutungen oder gar Spekulation. Was die Ermittlung der Grundstückseigentümer betrifft, so begegnet die Annahme, hierzu hätten etwa anderthalb Jahre (von Januar 1982 bis Mitte 1983) ausgereicht, keinen Bedenken. Soweit das Landgericht feststellt, dass die ab Mitte 1983 gegen die ermittelten Grundstückseigentümer zu ergreifenden Maßnahmen spätestens 1985 zum Erfolg, also zum Einbau von Kleinkläranlagen, geführt hätten, lässt sich auch dies von Rechts wegen nicht beanstanden. Richtig ist zwar, dass die hypothetische Bestimmung der Dauer und des Ausgangs von Verwaltungs- wie Verwaltungsgerichtsverfahren zumeist mit schwer zu behebenden Unsicherheiten belastet ist. Im vorliegenden Fall konnte sich das Gericht aber für seine entsprechenden Feststellungen auf einen Vergleich mit dem Verlauf und Ergebnis des gegen F. geführten Verwaltungsgerichtsverfahrens stützen. Die Verpflichtung der Grundstückseigentümer zum Einbau von Kleinkläranlagen stand nach der Abwassersatzung außer Frage - die Rechtslage war insoweit eindeutig. Freilich lässt sich nicht übersehen, dass für die betroffenen Grundstückseigentümer der Einbau kostspieliger Kleinkläranlagen im Blick auf den geplanten Klärwerksanschluss der eingemeindeten Stadtteile nicht wirtschaftlich war, da diese Anlagen nur für die Übergangszeit noch benötigt wurden und nach dem Anschluss außer Betrieb gesetzt werden mussten. Inwieweit dies - unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit - rechtlich von Bedeutung sein kann, braucht aber hier nicht entschieden zu werden; denn jedenfalls 1983 hinderten solche Gründe nicht den Erlass und die Durchsetzung von Verwaltungsverfügungen, mit denen der Einbau von Kleinkläranlagen verlangt wurde, da einerseits damals der Anschluss der eingemeindeten Stadtteile an das im Bau befindliche Großklärwerk nicht unmittelbar bevorstand, andererseits die Verpflichtung zur Errichtung von Kleinkläranlagen bereits durch die Abwassersatzung von 1981 begründet worden war, also schon lange bestand und bekannt war. Schließlich unterliegt auch die Feststellung, dass sich die betroffenen Grundstückseigentümer spätestens den letztinstanzlichen Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs gebeugt und die geforderten Kleinkläranlagen eingebaut hätten, keinen rechtlichen Bedenken; ein Indiz dafür durfte insbesondere darin gesehen werden, dass in den von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren zahlreiche Beschuldigte einer entsprechenden, mit der Verfahrenseinstellung verbundenen Auflage nachgekommen waren.

 

Was der Beschwerdeführer gegen diese Beweiswürdigung vorbringt, zeigt insgesamt keinen Rechtsfehler auf, sondern erschöpft sich letztlich in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, die eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichtes zu setzen.

 

3. Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Angeklagte es vorsätzlich unterließ, die ihm aus seiner Garantenstellung erwachsene Handlungspflicht zu erfüllen. Durch das Schreiben des Landrats vom 19. Januar 1982 wie auch aufgrund seiner weiteren Informationen war ihm bekannt, dass Grundstückseigentümer aus den eingemeindeten Stadtteilen den Teilortkanalisationen nicht vorgeklärtes Abwasser zuführten und dadurch die Gewässer, in die es gelangte, erheblich verschmutzten. Des Weiteren kannte er auch seine Verpflichtung, diese Verursacher zu ermitteln und gegen sie vorzugehen, um sie zum Einbau von Kleinkläranlagen zu veranlassen und damit der von ihnen ausgehenden Gewässerverunreinigung ein Ende zu setzen. Soweit die Revision die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung angreift, deckt sie auch damit keinen Rechtsfehler auf.

 

 

III.

 

Die Verurteilung des Angeklagten wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB) kann nicht bestehen bleiben. Tateinheit (§ 52 StGB) mit dem Delikt der strafbaren Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB) liegt nicht vor; vielmehr verdrängt hier der Straftatbestand des § 324 StGB denjenigen des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Gesetzeskonkurrenz). Zwar wird im Schrifttum die Möglichkeit des tateinheitlichen Zusammentreffens beider Delikte einschränkungslos bejaht (vgl. etwa Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 326 Rdn. 22; Steindorf in LK 10. Aufl. § 324 Rdn. 129, § 326 Rdn. 76). Dem ist jedoch nicht zu folgen. Etwas anderes gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine nachhaltige Gewässerverunreinigung durch die Beseitigung von Abwasser herbeigeführt wird und - da Abwasser dem strafrechtlichen Abfallbegriff unterfällt (vgl. BGHSt 37, 21) - damit zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt sind. In diesem Bereich ist nicht nur das Schutzgut der beiden Straftatbestände dasselbe; mit der nach § 324 StGB strafbaren Gewässerverunreinigung verwirklicht sich auch dieselbe Gefährdung, die in § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB unter Strafe gestellt ist. Das bloße Gefährdungsdelikt des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB, dessen Unrechtsgehalt im Erfolgs- und Verletzungsdelikt des § 324 StGB vollständig aufgeht, tritt daher hinter diesem zurück.

 

Der Wegfall der Verurteilung wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung bleibt ohne Auswirkung auf den - im übrigen rechtsfehlerfreien - Strafausspruch; denn es besteht kein Anhalt dafür, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Vergehens gegen § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB das Strafmaß zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst haben könnte. In den Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils findet das (angenommene) tateinheitliche Zusammentreffen zweier Delikte keine Erwähnung.