Anschluss-
und Benutzungszwang im Zusammenhang mit Regenwassernutzungsanlagen
von
Wolfgang Fabry, Verwaltungsdirektor beim Hessischen Städte- und Gemeindebund
Kommunale Satzungen bedürfen als abgeleitetes Recht
gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen, die zunächst im kommunalen
Verfassungsrecht (§§ 5 und 19 HGO), aber auch in spezialgesetzlichen Regelungen
zu finden sind (z.B. § 52 Abs. 2 und Abs. 5 HWG für
den Bereich der Abwasserbeseitigung). Weitere spezialgesetzliche Regelungen
nehmen oft Einfluß auf den möglichen Inhalt
kommunaler Satzungen. Soweit Satzungen auch die Erhebung kommunaler Abgaben
(Gebühren, Beiträge und Erstattungsansprüche) regeln, müssen die gesetzlichen
Vorgaben des kommunalen Abgabenrechts (HessKAG)
beachtet werden.
Für den Bereich der
Abwasserbeseitigung, die den Städten und Gemeinden als Pflichtaufgabe
übertragen ist (vgl. § 52 Abs. 1 HWG) und in dem in der Vergangenheit der so
genannte Anschluss- und Benutzungszwang vielfach als Hindernis für eine
ökologische Öffnung gesehen wurde, hat sich durch die Änderung des Hessischen
Wassergesetzes eine Vielfalt von Möglichkeiten aufgetan, die Abwassersatzung
umzugestalten zu einem ökologischen Steuerungsinstrument, das die Verwertung
von Niederschlagswasser, die Entsiegelung von Flächen mit der Versickerung von
Niederschlagswasser und die „Belohnung“ von solchen Maßnahmen der Rückhaltung
von Niederschlagswasser auf den jeweiligen Grundstücken im Rahmen der
Gebührenerhebung zulässt.
Auch die öffentliche
Wasserversorgung obliegt auf der Grundlage des § 54 HWG den Städten und
Gemeinden als Pflichtaufgabe und der Zusammenhang der Wasserversorgung mit der
Abwasserbeseitigung darf nicht übersehen werden: Die Lieferung von Frischwasser
hat in aller Regel das Entstehen von Schmutzwasser zur Folge. Ökologisch muß deshalb schon bei der öffentlichen Wasserversorgung
angesetzt werden, wenn Fragen der Abwasserbeseitigung zu lösen sind. Die
Verwertung von Niederschlagswasser verringert den Gebrauch von Grundwasser und
Grundwasser, das nicht gebraucht wird, wird auch nicht verschmutzt. Selbst in
Gebieten mit einem ausreichendem Grundwasservorkommen ist deshalb die
Verwertung von Niederschlagswasser ökologisch wie auch ökonomisch sinnvoll.
Die wichtigsten Regelungen des Hessischen Wassergesetzes,
die für die Gestaltung einer kommunalen Abwassersatzung und auch für Fragen der
Befreiung vom Benutzungszwang zur öffentlichen Wasserversorgung interessant
sind, sind in diesem Zusammenhang folgende:
§ 55 Nr. 3 und 5:
Sparsamer Umgang mit Wasser
Die Träger der öffentlichen
Wasserversorgung sollen im Rahmen bestehender technischer und wirtschaftlicher
Möglichkeiten auf eine rationelle Verwendung des Wassers insbesondere durch
folgende Maßnahmen hinwirken:
....
3. Verwertung von Betriebswasser und
Niederschlagswasser,
...
5.
Förderung des rationellen Umgangs mit
Wasser durch die Gestaltung der Benutzungsbedingungen und –entgelte
...
§ 52 Abs. 3 Nr. 2 und 4:
„Die Pflicht zur
Abwasserbeseitigung nach Abs. 1 und zur Überlassung des Abwassers nach Abs. 2
entfällt
...
2. für Niederschlagswasser, das verwertet
oder versickert wird,
...
4.
für Abwasser, das noch weiter verwendet
werden soll, und für Abwasser aus landwirtschaftlichen oder
forstwirtschaftlichen Betrieben oder Gärtnereibetrieben, das in dem Betrieb, in
dem es angefallen ist, unter Beachtung der abfallrechtlichen Bestimmungen zur
Bodenbehandlung Verwendung findet,
...“
§ 51 Abs. 3:
„Abwasser,
insbesondere Niederschlagswasser, soll von demjenigen, bei dem es anfällt,
verwertet werden, wenn wasserwirtschaftliche und gesundheitliche Belange nicht
entgegenstehen. Niederschlagswasser soll darüber hinaus in geeigneten Fällen
versickert werden.“
Diese
gesetzlichen Vorgaben wurden in der Entwässerungssatzung (Mustersatzung des
Hessischen Städte- und Gemeindebundes) konsequent umgesetzt,
was sich allerdings nicht schon beim einfachen Lesen dieser Satzung darstellt,
sondern einiger Erläuterungen bedarf.
Die Regelung über den Anschluss- und Benutzungszwang wurde in § 3 Abs. 2 EWS wie folgt gefasst:
„Jeder
Abwassereinleiter muss Abwasser, das der Beseitigungspflicht nach S 52 Abs. 1
HWG und der Überlassungspflicht nach § 52 Abs. 2 HWG unterliegt, der
Abwasseranlage zuführen.“
Mit dieser Regelung ist eindeutig
festgelegt, dass alle Ausnahmen von der Abwasserüberlassungspflicht (und damit
auch von der Abwasserbeseitigungspflicht), die das Hessische Wassergesetz
kennt, bereits zum Wegfall des satzungsmäßigen, auf der Grundlage des § 19 Abs.
2 HGO normierten Benutzungszwanges führen. — Vom Anschlusszwang hingegen gibt
es keine Befreiung, denn das auf einem Grundstück anfallende Schmutzwasser muss
auf jeden Fall der öffentlichen (kommunalen) Abwasseranlage zugeführt werden,
wenn die technische Anschlussmöglichkeit für ein Grundstück, auf dem Abwasser
anfällt, besteht. — Die Kommune muss deshalb auch im Einzelfall keinen
besonderen Verwaltungsakt zur Befreiung eines Grundstücks vom Benutzungszwang
erlassen, vielmehr ergibt sich durch die genannte Satzungsregelung bereits
„automatisch“ die Befreiung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Weiterhin
sieht die Entwässerungssatzung die Erhebung der Abwassergebühren getrennt für
die Einleitung von Schmutzwasser einerseits und von Niederschlagswasser
andererseits vor. Damit wird ein Anreiz für die
Eigentümer von Grundstücken geschaffen, die Einleitung von Niederschlagswasser
möglichst zu vermeiden, was insbesondere durch Maßnahmen der Verwertung und
Versickerung von Niederschlagswasser auf dem Grundstück bewerkstelligt werden
kann. Das Besondere an dieser Problemlösung ist, dass dieser gebührenmäßige
Anreiz nicht gegen abgabenrechtliche Grundsätze verstößt, sondern im Gegenteil
den Anforderungen des Abgabenrechts an einen wirksamen Gebührenmaßstab mehr
oder eher gerecht wird als der bisher übliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab der
Bemessung der Abwassergebühren ausschließlich nach dem Frischwasserverbrauch.
Denn nur bei der Erhebung getrennter Gebühren ist es möglich, den unterschiedlichen
Entwässerungsverhältnissen der einzelnen Grundstücke gerecht zu werden, die
sich in folgenden wesentlichen Fallgruppen darstellen:
1. Niederschlagswasser wird gar nicht in die Abwasseranlage eingeleitet. Es wird entweder auf dem Grundstück versickert und/oder verwertet oder in wasserrechtlich zugelassener Weise (z.B. im Rahmen des Gemeingebrauchs nach § 32 Abs. 1 Satz 2 HWG oder mit wasserrechtlicher Erlaubnis) direkt in ein Gewässer eingeleitet.
2. Es wird von dem angeschlossenen Grundstück ausschließlich Niederschlagswasser der Abwasseranlage zugeführt (z.B. Garagengrundstücke, Grundstücke mit Transformatorenhäuschen, befestigte Parkplätze).
3. Auf dem Grundstück befindet sich ein Wassergroßverbraucher, ohne dass dem überdurchschnittlichen Wasserverbrauch auch entsprechend große versiegelte Flächen gegenüber stehen.
4. Auf dem Grundstück befinden sich überdurchschnittlich große versiegelte Flächen, ohne daß auch ein entsprechend großer Wasserverbrauch darauf stattfindet.
Wenn der Anteil dieser außergewöhnlichen Fälle mehr als 10% aller zu entwässernden Grundstücke beträgt, wird man nicht mehr davon ausgehen können, daß sie im Wege der zulässigen Typisierung im Rahmen eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes unberücksichtigt bleiben oder als einzelne Härtefälle einer individuellen Lösung unter Billigkeitsgesichtspunkten zugeführt werden könnten. Vielmehr ist dann der Satzungsgeber aufgefordert, nach Regelungen zu suchen, die eine „annähernd gerechte Gebührenbelastung“ der Nutzer der Abwasseranlage unter Berücksichtigung von Art und Maß der Inanspruchnahme zur Folge haben. Das heißt, dann wird der Satzungsgeber gezwungen sein, einen differenzierten Gebührenmaßstab einzuführen, um den abgabenrechtlichen Grundsätzen zu entsprechen.
Gleichzeitig erfüllt eine Kommune mit der Einführung getrennter Gebühren für Schmutz- und Niederschlagswasser die oben dargestellte Forderung in § 55 Nr. 5 HWG.
Satzung über die Niederschlagswasserverwertung
Neben den Regelungen des Hessischen
Wassergesetzes finden sich Satzungsermächtigungen, die sich mit der
Niederschlagswasserverwertung befassen, auch in § 87 Abs. 2 Nr. 3 der neuen
Hessischen Bauordnung, der folgendes bestimmt:
„Die Gemeinden
können ferner durch Satzung bestimmen, dass
3. im Gemeindegebiet oder in Teilen davon Anlagen
zum Sammeln oder Verwenden von Niederschlagswasser oder zum Verwenden von
Grauwasser vorgeschrieben werden, um die Abwasseranlagen zu entlasten,
Überschwemmungsgefahren zu vermeiden oder den Wasserhaushalt zu schonen, soweit
wasserwirtschaftliche oder gesundheitliche Belange nicht entgegenstehen.“
Auch eine derartige Satzung zur
Niederschlagswasserverwertung könnte durchaus in eine kommunale Abwassersatzung
integriert werden; allerdings bietet sich hier an, diese Regelungen, die
zumeist nur für ausgewählte Baugebiete getroffen werden sollen, speziellen
Einzelfallsatzungen vorzubehalten, damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt.
Immerhin sind derartige Satzungen nicht Selbstzweck oder nur für die kommunale
Verwaltung gedacht, sie enthalten vielmehr auch für die betroffenen Bürger
verbindliche Regelungen.
Fazit:
Der
Hessische Städte- und Gemeindebund bietet seinen Mitgliedern Mustersatzungen
mit den oben beschriebenen Inhalten schon seit vielen Jahren an und unterstützt
damit alle Maßnahmen der Verwertung und Zurückhaltung von Niederschlagswasser.
Vortrag am 24.6.1998 bei einer
Veranstaltung der fbr
in
Würzburg
Anmerkung:
Die Regelung des § 87 Abs. 2 Nr. 3 der bisherigen Hessischen Bauordnung (HBO) findet sich jetzt in § 42 Abs. 3 HWG:
„(3) Abwasser, insbesondere
Niederschlagswasser, soll von der Person, bei der es anfällt, verwertet werden,
wenn wasserwirtschaftliche und gesundheitliche Belange nicht entgegenstehen. Niederschlagswasser
soll darüber hinaus in geeigneten Fällen versickert werden. Die Gemeinden
können durch Satzung regeln, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen davon
Anlagen zum Sammeln oder Verwenden von Niederschlagswasser oder zum Verwenden
von Grauwasser vorgeschrieben werden, um die Abwasseranlagen zu entlasten,
Überschwemmungsgefahren zu vermeiden oder den Wasserhaushalt zu schonen, soweit
wasserwirtschaftliche oder gesundheitliche Belange nicht entgegenstehen. Die
Satzungsregelung kann als Festsetzung in den Bebauungsplan aufgenommen werden. § 10 Abs. 3 des
Baugesetzbuches findet unter Ausschluss der übrigen Vorschriften des
Baugesetzbuches auf diese Festsetzungen Anwendung.“